Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Brauchen Haare überhaupt Sonnenschutz?

Shampoo, Conditioner, Maske, Creme, Öl, Gel und Spray. Die Bandbreite an UV-Schutz-Produkten für Haare ist so groß wie für die Haut. Aber braucht man die wirklich? Eine Frage, die ich mir jeden Sommer aufs Neue stelle. Jetzt wollte ich es genauer wissen.
Wir haben doch gelernt, dass Haare nichts anderes sind, als ein langer Keratin-Faden, der uns aus der Kopfhaut wächst. Lebendig sind nur die Haarwurzeln, der Rest ist im Grunde totes Material. Und dafür soll ich in spezielle Sonnenschutzprodukte investieren?
„Ja, das solltest du“, kommt prompt die Antwort vom Friseur meines Vertrauens seit Jahrzehnten. Auf Manfred Kraft höre ich, weil er erstens eher kritisch ist, und zweitens inzwischen Trainer für L’Oreal Professional-Salons. Da muss er keine Produkte verkaufen. Er sagt: „Sonne trocknet die Haare aus und begünstigt Spliss.“ Unerlässlich sei UV-Schutz für chemisch vorbehandelte Haare wie meine, weil die Kraft der Strahlen die Farbe verändert. Und: „Naturhaare brauchen ihn nicht zwingend. Die Sonne kann manchmal sogar ein ganz schönes Farbspiel in die Haare bringen.“
Sonnenschutz für die Haare Modepilot
Sonnenschutz für die Haare? Am effektivsten ist immer noch ein Tuch (hier Valentino Resort 2019)

Vorsicht, freie Radikale!

Aha. Doch ich will es genauer wissen. „Die ultravioletten Strahlen im Haar wirken oxidierend. Sie dringen bis ins Haarinnere vor und erzeugen freie Radikale“, erklärt Dr. Elisabeth Poppe, Director International R&D Hair Care bei Henkel. Das bedeutet, dass das Sonnenlicht die natürlichen Farbpigmente unserer Haare genauso ausbleicht wie die Pigmente von Colorationen. So kann die Haarfarbe nach einem zweiwöchigen Strandurlaub durchaus zwei bis drei Nuancen heller sein als zuvor. Und die Keratin-Struktur der Haare wird so stark geschwächt, dass es zu Haarbruch kommen kann.
Die Haare brechen ab, verlieren an Glanz, Sprungkraft und Elastizität. Poppe behauptet, dass UV-Schutz auf die Haare ähnlich wirkt wie Sonnencreme für die Haut. Genauso wie helle Haut schneller verbrennt, nehmen helle Haare schneller Schaden in der Sonne. „Wir konnten in einer wissenschaftlichen Studie nachweisen, dass blonde Haare im UV-Licht stärker ausbleichen und auch stärker geschädigt werden als dunkle Haare”, so die Expertin. Also verhält es sich ähnlich wie bei der Haut, und der Farbstoff Melanin wirkt in beiden wie ein natürlicher Sonnenschutz.

Chemische statt mineralische Filter

Worin genau unterscheidet sich dann Sonnenschutz für die Haare von Produkten für die Haut? Aus den Forschungsabteilungen heißt es, dass bei der Formulierung der Produkte prinzipiell dieselben Lichtschutzfilter verwendet werden können. In der Regel jedoch wird chemischen Filtersystemen, die die UV-A- und UV-B-Strahlen absorbieren, der Vorzug gegeben. Mineralische Filter haben den Nachteil, dass sie sich am Haar ablagern und es stumpf aussehen lassen.
Auch die Filterangaben unterscheiden sich für Haut und Haar. Während der SPF typisch ist für den Schutzeffekt der Haut, sind Haarprodukte lediglich mit „UV-Filter“ oder „UV-Schutz“ gelabelt. Die wenigen Produkte, die mit einer genauen SPF-Aussage versehen sind, enthalten einen Breitbandfilter und schützen Haare und zugleich die Kopfhaut. Wer also eine empfindliche Kopfhaut hat, sprich nicht gerade mit einer Löwenmähne gesegnet ist oder auch einen deutlichen Scheitel trägt, greift besser zu einem dieser Produkte. Denn die Sonnenstrahlen fallen senkrecht auf den Kopf und können die Haut dort verbrennen. Eine Umfrage des digitalen Marktforschungsinstituts Appinio, die die Dr. Wolff Group in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass nicht einmal jeder fünfte Befragte Sonnenschutz auf Haaransatz, Scheitel oder haarlose Areale aufträgt.

Sonnenschutz für die Haare – Lieber UV-Spray oder -Gel?

Um zu vermeiden, dass den Längen Feuchtigkeit entzogen wird – was enorm wichtig ist für eine geschmeidige und glänzende Haarpracht – legt sich das Schutzprodukt wie ein Film um die Haare und versorgt sie zusätzlich mit feuchtigkeitsspendenden Inhaltsstoffen und Vitaminen, die dem Austrocknen entgegenwirken. Aber welches nehmen?
Sonnenschutz für die Haare Modepilot
Vor allem gefärbtes Haar braucht extra Sonnenschutz, wenn die Farbe nicht verblassen soll (Model bei Monse, Resort 2020)
„Shampoos mit UV-Schutz bringen einen eher geringen Effekt, Spray liegt mehr oben drauf. Gel ist am effektivsten, wenn man es gut einarbeitet. Damit kann man die Not zur Tugend machen und eine schöne Gelfrisur gestalten“, so Manfred Kraft. Da bieten sich Sonnenschutz-Gele für die Haut an (z.B. Heliocare SPF 50), weil es für Haare nicht viele UV-Schutzgele gibt. Gegen das Verwenden von Hautschutz-Produkten für die Haare spricht nichts. Nur hat normale Sonnencreme den Nachteil, dass sie unangenehm fettet. Anders verhält es sich mit Pump- oder Aerosolsprays. Sie eigenen sich nicht nur für Gesicht und Körper, sondern auch für die Anwendung auf den Haaren und ganz besonders für die Kopfhaut. Sie schützen sogar effektiver als UV-Sprays, die speziell fürs Haar gedacht sind.
Gut ist es, den Scheitel immer wieder mal ein wenig zu „verschieben“, damit die Sonne nicht zu lange auf denselben Bereich knallt, und dann erneut einsprühen.

Grünstich durch Chlorwasser

Noch ein Wort zu dem Phänomen der grünen Haare, die sich Blondinen in Schwimmbädern und gechlorten Pools einhandeln können. Gerade bei sehr hellen Blondierungen können die Kupferionen im Wasser einen Grünstich hervorrufen. Dazu sagt mein Haarexperte: „Vorher mit einer Kur abdecken oder ‚richtig fett’ UV-Gel reingeben, damit die Haare das Chlor-Wasser nicht so aufsaugen können. Aber auch das ist keine absolute Garantie gegen Grünstich. Wichtig ist es, die Haare sofort nach dem Schwimmen gründlichst auszuspülen.“
Dasselbe gilt auch für Meerwasser. Falls wir das dieses Jahr überhaupt noch mal zu Gesicht bekommen. Das Salz hat zwar den schöner Nebeneffekt, dass sich die Haare toll griffig anfühlen und sich auch leichter stylen lassen. Trotzdem ist es Gift für sie, weil es die feine, äußere Umhüllung aufraut, und das Haarinnere verliert an Stabilität und Elastizität. Die Folgen sind Spliss und Haarbruch, vor allem wenn die Längen ohnehin schon vorher ein bisschen trockener und angegriffener waren. Deshalb nach dem Sprung in die Fluten die Haare immer mit Süßwasser ausspülen.
Zum Glück gibt es ja Saltsprays zu kaufen. Damit können wir uns den Urlaub-am-Meer-Look auf den heimischen Balkon holen. Corona, wir lassen uns von dir die Laune und unseren (Beach)-Style nicht verderben!
Mehr von der Autorin lesen Sie jeden Freitag hier auf Modepilot (bisherige Kolumnen >>>) oder auf ihrem eigenen Blog Culture & Cream. Ein extra Tipp von Margit sind Geocreme-Texturen, die wie eine Maske anzuwenden sind, z.B. 'Swimcap' von Philip Kingsley, die ursprünglich mal fürs olympische US.-Syncronschwimmer-Team entwickelt wurde.
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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