Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Models der Zukunft: das Schönheitsideal heute

„She’s a model and she's looking good“, heißt es im Song der Band Kraftwerk. Dass perfekte Schönheit heute gar nicht mehr gefragt ist, weiß Marco Sinervo. Er kennt das Business wie kaum ein anderer. Seine Hamburger Agentur MGM Models gehört seit 15 Jahren zu den renommiertesten und größten Modelagenturen Europas. Sein Portfolio umfasst 1.100 Models, dazu circa 100 Influencer und Celebrities. Sinervo erklärt uns das heutige und künftige Schönheitsideal und verrät, warum er GNTM für ein „trauriges“ Format hält.
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Marco Sinervo, Inhaber der MGM-Modelagentur

Wie läuft das Modelbusiness in Zeiten von Corona?

Marco Sinervo: Okay. Das trifft es eigentlich am besten. Nicht gut und nicht schlecht. Wir warten sehnlichst darauf, dass sich die Situation entspannt. Es sind einfach schwierige Zeiten, um zu Jobs zu fliegen. Das internationale Business fehlt. E-commerce definiert momentan das Business: Kampagnen, Lookbooks. Die Preise sind niedrig. Sie liegen für ein Model zwischen 1.000 und 1.500 Euro pro Tag.
Kataloge wie „Otto“ sind gut bezahlt. Die Models freuen sich über so einen Job heute mehr als früher. Wir haben aber auch Louis Vuitton und D&G gemacht. Das hat auch irgendwie geklappt. Die Mädchen müssen vorher einen PCR-Test gemacht haben. Aber oft ist es fraglich, ob sie überhaupt an den Zielort reisen können. Am Set sind dann auch immer mehrere Leute beschäftigt: Photographen, Stylistin, Haare/Make-up. Es kam schon vor, dass eine Stylistin Corona positiv getestet wurde. Dann musste das Shooting abgebrochen werden. Die Kosten trägt dann die Agentur. Das ist mein Risiko. Im vergangenen Jahr bin ich öfters auf den Kosten sitzengeblieben.

Wie sieht das heutige bzw. künftige Schönheitsideal aus?

M.S.: Diversität ist gefragt und das wird auch so bleiben. Die Verschmelzung von unterschiedlichen Kulturen: Mischlinge, Models mit diversen Einschlägen. Ein Mädchen in der Dior-Kampagne ist beispielsweise Halbjapanerin. Es gibt viele dunkelhäutige Models für den internationalen Look, kein 0815 Gesicht mehr wie Claudia Schiffer. Die großen Designer wollen sich abgrenzen. Statt perfekter Schönheit suchen sie nach spannenden Gesichtern.
MGM Models Modepilot
Ein Modelagentur-Empfang wie in den 90ies

Sie wollen die Anforderungen an die Qualität der Models weiter

hochschrauben. Was heißt das genau?
M.S.: Die momentane Situation sieht so aus, dass wir zwei Kundenkreise haben. Da ist einmal das Luxus-Segment und das e-commerce Business, was in Deutschland der Mainstream ist. Das Mittelmaß fehlt. Das mittlere Segment ist weggebrochen. Für e-com müssen die Models schnell arbeiten, viele Looks an einem Tag fotografieren. Bei den
Luxusbrands sind wenige, hochwertige Mädchen mit diversen Looks gefragt, die absoluten Diamanten aus unserem Portfolio. Die zahlen dann auch gut. Für einen internationalen Kunden habe ich ein Mädchen für eine Tages-Gage von 170.000 Euro vermittelt. E-commerce wiederum ist eine Massenabwicklung. Sie liegt preislich um 1.000 Euro pro Tag.

Wie groß ist die Nachfrage noch nach BestAger, Curvy und Influencern?

M.S.: Nischen wie Best Ager und Curvy Models ist das eine, und Influencer das andere. Best Ager sind wenig gefragt. Wir haben ungefähr 10 Prozent Best Ager im Portfolio. Die werden gebucht, beispielsweise bei Werbung für einen Mercedes, weil man muss den Leuten auch abnehmen, dass sie das Geld haben und sich auch so einen Wagen leisten können. 'Curvy' kann man fast nur für Katalog vermitteln. Die Nachfrage im modischen Bereich ist nicht groß. Wir lösen die Abteilung gerade auf, steigen aus diesem Bereich aus, weil wir auch nicht die richtige Agentur dafür sind. Hier gibt es einfach keine Steigerung, keine spannenden redaktionellen Geschichten. Meine Auffassung von „curvy“ ist Größe 38-40, da sieht eine Frau mit Rundungen noch gut aus. Wenn Kunden aber nach 42-44 fragen, dann ist das meiner Meinung einfach nur dick und passt nicht in unser Portfolio.

Wie lange hält der Influencer-Trend Ihrer Meinung noch an?

Corona geschuldet können viele Kunden momentan nur mit Influencern werben. Die schicken denen die Klamotten nach Hause zum Fotografieren. Der Trend wird schon noch anhalten, aber es wird eine Selektion stattfinden. Jeder Zweite auf Instagram ist heute Influencer, aber nur die guten werden bleiben. Ich folge etwa 10 Leuten, die ich gut finde, Xenia Adonts beispielsweise.

Wie kommen Sie zur Zeit an neue Models?

Jetzt in Corona scouten wir viel über Instagram, was ich früher nie wollte. Aber unsere Scouts sind momentan darauf beschränkt. Übers Jahr gesehen haben wir auch wirklich 14 gute Mädchen gefunden. Das finde ich viel, weil wir auch sehr wählerisch sind. Und dann bewerben sich auch Leute bei uns in der Agentur. Corona ist eine Art Hoch-Zeit dafür, weil sich viele überlegt haben, was sie machen wollen, Ziele neu definieren. Teilweise waren es 800 Leute im Monat. Da war aber alles dabei: Best Ager, Curvy. Die Auswahl ist in Corona-Zeiten tatsächlich besser geworden.
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Bei MGM Models in Hamburg

Ist Germany’s next Topmodel für Sie relevant?

GNTM hat hohe Einschaltquoten und ist deshalb schon relevant. Ich finde es aber unmöglich, wie mit den Mädchen umgegangen wird. Das Format hat inzwischen nur noch Unterhaltungswert. Das ist traurig, denn es verzerrt das Bild der Models. Die Mädchen werden vorgeführt und tun mir leid. Simone Kowalski, die Gewinnerin 2019, war beispielsweise früher bei mir in der Agentur, wollte pausieren und sich bei GNTM bewerben. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen, ist psychisch am Boden. Jede darf mitmachen, ob sie Modelqualitäten hat oder nicht. Da werden Begehrlichkeiten geweckt, die dann in der Realität platzen. Außerdem finde ich Heidi Klum zu alt. Sie macht die Mädchen in ihrer Show nieder, bringt aber ihre Tochter in die Öffentlichkeit, die nicht zum Model taugt. Ich finde sie überhaupt nicht hübsch.

Ab welchem Alter wird man Model heutzutage?

Die Mädchen kommen ab 14 zu uns in die Agentur, machen erst nur kleine Shootings, um reinzuschnuppern. Außerdem greift auch das Jugendschutzgesetz, an das wir uns strikt halten. Mit 15 machen sie erste kleine Jobs und ab 16 geht es dann richtig los. Außerdem muss man auch sehen, wie sich die Mädchen entwickeln. In diesem Alter verändert sich körperlich noch viel. Manche fallen dann auch wieder heraus, weil sie sich anders entwickeln.
Mädchen sollten eine Durchschnittsgröße von 175/176 cm haben, dürfen aber auch nicht zu groß sein, bei 180 cm ist Schluß. Dazu eine Konfektionsgröße von 34/36. Jungs kommen meist etwas später zu uns, wenn sie zwischen 15 und 17 Jahre alt sind. Sie müssen mindestens 185 cm groß sein, bei 189 cm ist Schluß.
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Willkommen bei MGM Models – Der Eingang macht Eindruck

Ist Model noch immer ein Traumberuf?

Absolut, wenn es momentan auch anders läuft als früher. Aber wenn die Grenzen wieder geöffnet sind, wir wieder reisen können, dann ist es schon ein großer Anreiz, die Welt zu sehen. Fashionshows haben echte Magie für die Models. Der Traum der Mädchen ist in erster Linie auch nicht monetär. Sie wollen international arbeiten, interessante Menschen kennenlernen. Die englische Sprache zu beherrschen, ist deshalb für die Mädchen ein Muss. Sie müssen sich verständigen können, müssen verstehen, was der Photograph will.
Mehr von unserer Autorin lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Anregungen, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin Margit Rüdiger unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: MGM
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • Uma sagt:

    Dass perfekte Schönheit heute gar nicht mehr gefragt ist, weiß also Marco Sinervo. Bravo!

    Dass aber auch Frauen jenseits der 38/40 die Modelbranche verändern können indem man sie nicht separiert, scheint bei ihm leider noch nicht so ganz angekommen zu sein. Dabei könnte man gerade damit ein realistisches Bild von Schönheit prägen. Schade eigentlich, denn in den meisten Läden hängt die Mode von Gr.34/36 bis 44 ja schließlich auch auf einem Ständer, oder?!


  • Sophie sagt:

    Wenn Hr. Sinervo GNTM für ein trauriges Format hält, sollte er dringend auch an seinem eigenen Charakter arbeiten, der sich in diesem Interview nicht weniger traurig darstellt.

    Wer Aussagen wie "Meine Auffassung von „curvy“ ist Größe 38-40, da sieht eine Frau mit Rundungen noch gut aus. Wenn Kunden aber nach 42-44 fragen, dann ist das meiner Meinung einfach nur dick und passt nicht in unser Portfolio." oder "Ich finde sie überhaupt nicht hübsch." in aller Öffentlichkeit tätigt, hat eindeutig den Bezug zur Realität verloren und weder Anstand noch Stil.

    Schade um das ansonsten spannende Interview.